Neuburg (szs) Atila Dikilitas ist schwierige Situationen gewöhnt: Als Kampfsportexperte misst er sich mit seinen Kontrahenten, als Türsteher hält er wütende Betrunkene im Zaum. Als Anti-Aggressions-Trainer an der Hauptschule hatte er es nun mit einer ganzen Horde Sechstklässler zu tun – harte Gegner.

Was tun, wenn jemand “Deine Mutter” beleidigt? Es ist aus unerfindlichem Grund Sitte unter Halbstarken geworden, nicht den Gegenüber, sondern dessen Mutter zu beleidigen. Die Frage, wie man auf derartige Provokationen reagieren soll, brennt den Kindern und Jugendlichen unter den Nägeln. Entsprechend aufgedreht arbeiten sie auch mit, als sie in ihrem Klassenzimmer Besuch vom Anti-Aggressionstrainer bekommen.
“Ich mach’ ihn fertig!”, ruft ein Rabauke und unterlegt seine Drohung mit ausladender Kung-Fu-Gestik. “Aha, bessere Vorschläge”, zeigt sich Dikilitas unbeeindruckt. “Ich würde ihn fragen, warum er das sagt”, schlägt eine kleine Pazifistin vor. “Ich würde es meiner Mama sagen”, meint eine dritte, ganz im Vertrauen auf die Obrigkeit. Schon quasseln alle durcheinander.

Jetzt geht der Türsteher dazwischen, lässt alle aufstehen, die ihre Mutter lieb haben – alle Kinder stehen auf – und dann alle wieder setzen, die nicht zuschlagen würden: Jetzt stehen nur noch ein paar Jungs. “So, und jetzt beweise ich euch, dass ihr eure Mamas scheinbar nicht lieb habt”, sagt der Mann in Schwarz knallhart. Die Beweisführung in Kürze: Wer zuschlägt, tut das nicht für seine Mutter, sondern nur für sich selbst. “Ist Deine Mama glücklich wenn Du jemanden schlägst”, fragt Dikilitas. Für einen kurzen Augenblick herrscht wirklich Ruhe.

“Es ist echt schwer, die Konzentration der Ganztagesklassen am Nachmittag aufrecht zu halten”, erklärt Schulsozialarbeiter Markus Bach. Der Kampfsportler schlage sich sehr gut. Dikilitas hat seine Tricks, lässt unbeugsame Knirpse auch mal 20 Straf-Kniebeugen machen und kontert Einwände mit: “Ich bin kein Lehrer, ich darf das.”

Es gilt, den Heranwachsenden zu zeigen, dass es nicht cool ist zuzuschlagen – keine leichte Aufgabe. Er sei bei den Kindern besonders glaubwürdig, weil er auf Gewalt verzichte, “obwohl er aus den meisten Auseinandersetzungen als Sieger hervorgehen würde”, sagt Schulleiter Theo Porada über den Anti-Aggressions-Trainer mit Lizenz vom Kultusministerium. Die Kinder und Jugendlichen sollten deeskalierende Verhaltensweisen an die Hand bekommen, deswegen das Projekt des Förderprogrammes “Stärken vor Ort”. Dass die Kinder davon profitieren, wird in der Klasse klar: Fast alle Kinder können sich an Situationen in ihrem Alltag erinnern, wo es handgreiflich wurde.

Von Sebastian Schanz

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